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Über das zweite Ich.

Sie sind sehr seltsam – mein Geschmack und meine Seele,
Ich bin ein merkwürdiger Mensch, milde gesagt…
Mal schreie ich vor Dummheit, mal erzähle
Ich auswendig „Der Räuber“ zweiten Akt.

Ich hab zwei „Ich“ in mir – zwei fremde Welten,
Zwei Feinde wohnen, ach, in meiner Brust.
Der eine träumt von Opern und Balletten,
Der andere – auf Glückspiele hat Lust.

Und das war immer so – wenn in der ersten
Person ich lebe, bin ich immer fair.
Doch, grade dann tobt in der Brust am stärksten,
Will ’raus mein zweites Ich – der miese Kerl.

Ich unterdrücke ihn mit List und Tücke-
Den miesen Kerl in mir. Doch, unter’ m Strich
Stellt’ s sich heraus, ich manchmal unterdrücke
Das falsche von den beiden meinen Ich.

Wenn ich mich öffne, kann man mir vertrauen,
Dann bin ich ehrlich, rede freiheraus…
Dann lieben mich sogar umsonst die Frauen
Und geben einen Schnaps die Männer aus.

Doch, plötzlich werd’ ich arrogant, wie ’ne Berühmtheit.
Dann bist du selbst schuld, wenn du mir vertraust.
Dann schreie, wieder schreie ich vor Dummheit
Und will nichts wissen ich von „Räubern“ und von „Faust“.

… Man will mich wieder ungerecht verklagen.
Aber ich schwöre Euch, hohes Gericht!
Das war nicht ich, das Fenster hat zerschlagen
Mein mieses und gemeines zweites Ich.

Und ich verspreche, ich werd alten Leuten helfen,
Zerschlage ich kein Fenster mehr und kein Gesicht,
Und ich vereinige zusammen beide Hälften
Der meinen armen kranken Seele – meines Ich.

Ich krieg mich frei! Ich bring ihn um! Nein, lieber beides!
Ich krieg das hin, ich schaffe es, ich heile mich!
Ich schwöre, Leute, mir ist fremd mein dieses zweites,
Doch, das ist gar nicht mein gemeines zweites Ich.

© Igor Golubev. Übersetzungen, Vortrag, 2001 -2012