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Ein Polizeiprotokoll (aufgenommen in der Davidwache), oder „Ein Tag im Leben des Johannes G.“
So, ich erkläre alles gleich – wir haben heute Nicht viel getrunken, ich schwöre, Leute! Zwei Flaschen Wodka hat besorgt mein Vetter – Auch ’n Spätaussiedler, war Pjotr – jetzt Peter.
Mich hat verführt zum Trinken heute mein Verwandter – Man müsse kämpfen gegen den Kater! Man müsse fit sein, wenn man ’n Sprachkurs mache! „Willst du erlernen die Vatersprache?“
Dann haben wir getrunken uns’re erste Pulle In der Toilette der Rackow Schule. Russischer Wodka, und erst dann, so war die Taktik, Deutsche Vokabeln und die Grammatik.
Mit uns war Max, mein bester Freund, jüdischer Flüchtling – Aus Minsk geflüchtet erst jetzt im Frühling. Er hat bewiesen, dass sein Opa mit den Brüdern Schon immer waren ganz sicher Juden.
Wir konnten besser nach dem Wodka Deutsch verstehen Und wollten bisschen, weist du, spazieren gehen. Man darf nicht ewig in der Schule Zeit verlieren, Wir müssen endlich uns integrieren.
Wir lernten heute viele neue Leute kennen, Man kann erwähnen zwei nette Penner. Der Suff mit ihnen – das war Nebensache, - Wir wollten lernen die Umgangssprache.
Bis zwölf Uhr waren wir – ich geb’ euch Brief und Siegel! – In einer Kirche, ich glaub im Michel. Von oben sieht man alles gut… Max gab sich Mühe Und hat gefunden die Rackow Schule.
Da hab ich gleich gedacht an uns’re zweite Flasche, Sie gluckste leise in meiner Tasche. Im Hof der Kramer-Witwen leerten wir die Pulle, Dann gab es Ärger und kam ein Bulle.
Wir mussten trinken, denn wir werden sonst schnell nüchtern, Und wenn wir nüchtern sind, sind wir zu schüchtern. Dann können wir die Leute nicht mehr kontaktieren, Wie soll man bitte dann sich integrieren?!
Dann haben wir getrunken Bier und Rum im Hafen, Dann war ich müde, bin eingeschlafen… Dann bin ich aufgewacht, vor Augen war dasselbe – Die Mutter Wolga, ich mein die Elbe.
Bald sagte Peter, dass es nicht mehr geht zu trinken, Ohne zu pinkeln… Er müsse dringend. Dass seine Ehre, hat gesagt mein Vetter, Jetzt könne retten nur ’ne Toilette.
Noch müssen lösen ein Problem die Volksvertreter In großen Städten mit den Toiletten. Als es soweit war und das arme Wesen Auf Klo gesessen – zu spät gewesen.
Max wollte essen… Nun man hört von allen Seiten – Vier Jahreszeiten… Vier Jahreszeiten… Nicht teuer wohl, solide Gäste, gute Küche, Man kann beim Essen Kontakte knüpfen.
Der Typ am Eingang hat uns nicht hereingelassen – „Ich muss Sie bitten…“, „Sofort verlassen…“ Weil wir, angeblich, nach Hause gehen müssen. Der Typ, ich glaube, mag keine Russen.
So ’ne Beleidigung! Wir konnten’s nicht vergessen – Man hat vermasselt uns das Mittagessen. Ein Hungerstreik! Das war jetzt angemessen. Wir werden trinken und gar nichts essen!
Der Flüchtling wollte sich erfrischen… Nun in Maßen Tut gut, das weiß er, das Alsterwasser. Mit diesem Wasser gab es ein Desaster – Wär’ fast ertrunken in der Binnenalster.
Dann saßen wir auf einer Bank – gemütlich, klasse – „Thalia“, Karstadt, Mönkebergstraße… Wir hatten, weiß es, weil ich nichts vergesse, ’ne Flasche Wodka für jede Fresse.
Zuspätaussiedler sagte: „Schluß! Kann nicht mehr trinken.“ Und wollte langsam zu Boden sinken. Der Flüchtling hat ihn aufgefangen mit der Linken, Um den Aussiedler zu sich zu bringen.
„Wenn du mein Freund bist, trinkst du weiter! Hier wird eben – Solang wir leben – nicht aufgegeben! Wir Russlanddeutsche, - sagte Max, der Jude, - Sind stark. Wir werden nicht zu schnell müde.
Auf uns kann stolz sein uns’re Heimat, Peter! Und wenn nicht heute, dann sicher später.“ Jetzt war der Flüchtling selbst schlecht auf den Beinen, Küsste den Peter, fing an zu weinen.
Schon hatte Peter keinen Mumm mehr in den Knochen, Auf allen vieren ist er gekrochen, Und auch der Flüchtling hat kaum mehr gesprochen, Nach Stuhl gerochen, drei Mal erbrochen.
Wir alle waren also ziemlich stark benommen, Als wir gekommen nach „Pflanz und Blomen“. Wir haben uns beruhigt, gut benommen, Weil diese „Blomen“ uns gut bekommen.
Mit kaltem Bier hat man gerettet uns vor Hitze In einer Spalte, nein – in der „Ritze“. Die Kellnerin ist super cool, reißt Witze… Mensch, diese „Ritze“ ist einfach Spitze.
Wir lernten kennen dort, bevor wir uns verpissten, Ihren Kollegen – ein’ Polizisten. Er suchte dort wahrscheinlich einen Täter, Den Typ kennt jeder – das war Jan Fedder.
Auf einmal fing mein Peter an vor Wut zu kochen, Lauthals gesprochen, ein Glas zerbrochen Mir hat gesagt der Flüchtling: „Hols der Geier… Mir auf die Eier geht dieser Schreier.“
„Du bist, - hat er gesagt zu Peter, - mir zuwider,“ Und haute nieder den Spätaussiedler. Doch auch im Liegen grölte immer wieder Der Spätaussiedler Wissotzkij’s Lieder.
Jetzt fiel dem Flüchtling plötzlich ein – gerade heute! – Dass er schon wieder heiraten wollte. Er hat gesagt, dass er sich jetzt heiraten lasse, Man müsse finden nur die Herbertstrasse.
Er hat gefunden sich ’ne Braut in dieser Strasse, Die ihm gut passe dank ihren Maßen. Nur aus der Hochzeit wurde nichts – die Braut war klasse! Der Flüchtling aber war schlecht bei Kasse.
Uns hat gesagt ein grober Kerl, wir müssten gehen. Max hat erwidert: „Hab nicht verstehen! Pass auf, - hat er gesagt – uns Russlandjuden Könnt ihr mal lecken die deutschen Luden.
Und noch, - hat Max gesagt, - ich glaube, dass wir Russen Uns auf dem Kiez jetzt durchsetzen müsse. Dass wir besoffen sind, spielt keine Rolle – Wir übernehmen hier die Kontrolle.
Verpiss dich jetzt, wir kümmern uns um deine Frauen!“ Und auf die Fresse den Typ gehauen. Dann hat geprügelt der Bandit mich, Max und Peter, Dann sind gekommen Sie – uns’re Retter.
Dank Ihnen fühlen wir uns immer ernst genommen – Man wird vernommen, wird festgenommen… Man kümmert sich um uns, man wird geleitet Zum Krankenwagen, zur ZAB begleitet.
Dort ist man nett zu uns, erst darf man schlafen gehen, Dann „Guten Morgen!“, „Auf Wiedersehen!“ Wir sind auch nachts mit Fürsorge umgeben, Man guckt nach, eben, ob wir noch leben.
Ich bitte euch im Protokoll halt festzuhalten, Dass wir bereuen unser Verhalten. Und das ist gut, dass solche Typen, wie uns, eben Früh oder später bestraft das Leben.
Guckt euch das an – der Spätaussiedler nickt im Schlafe – Gibt zu – das Leben wird ihn bestrafen. Wozu dann brauchen Sie sich Mühe geben, Wenn uns bald sowieso bestraft das Leben?!
Lasst uns doch laufen, weil die Jungs – Sie selbst doch sehen – Können kaum stehen, nicht viel verstehen. Sie liegen still, nur schlucksen laut und gähnen, Weil sie bereuen… weil sie sich schämen…
Ich bleibe nicht mehr lange wach, weil mir das schwer fällt. Ich muss nach Billstedt, die Jungs nach Jenfeld… Zu Hause weinen uns’re Mütter, Kinder, Bräute… Habt Mitleid, Leute, zumindest heute!
Wir schaffen es, wenn wir die Nerven nicht verlieren, Uns hier in Deutschland zu integrieren. Mein Onkel Igor hat’s geschafft – das ist der Hammer! – In Hamburg Mitglied der Ärztekammer!
Das ist jetzt nicht für ’s Protokoll, ich sag nur Ihnen – Der Typ säuft selber wie ’n Bürstenbinder. Nur eins im Kopf hat – übersetzt, ganz scheußlich sicher, Der Onkel Igor Wissotzkij’s Lieder.
Wir sind nicht dümmer, als mein Onkel – ich kann’s wetten! Stimmt’ s Jungs?! Hey, Kumpels! Schläft Max, schläft Peter… Nur ist’s nicht einfach mit dem Trinken aufzuhören… Na gut, schlaft Kumpels, lasst euch nicht stören!
© Igor Golubev. Übersetzungen, Vortrag, 2001 -2012
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